Konjunktur in Nordrhein-Westfalen schwächelt

Hohe Preise für Energie und Rohstoffe trüben Erwartungen der Wirtschaft in NRW massiv ein, so der jüngste Konjunkturbericht der IHK NRW.

Bild: IHK NRW


Die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise trifft die nordrhein-westfälischen Unternehmen mit Beginn des Herbstes nun mit voller Wucht. Neben hohen Kosten für Energie und Rohstoffe setzen auch der zunehmende Fachkräftemangel, die steigenden  Arbeitskosten und die herausfordernden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen unsere heimische Wirtschaft unter Druck. Viele  Unternehmen in Nordrhein-Westfalen erwarten einen schwierigen Winter mit schwerwiegenden Folgen für das Wirtschaftsjahr 2023. Der  Indikator zu den Geschäftserwartungen verliert 24 Punkte und fällt damit auf -42 Punkte – ein historischer Tiefststand. 

Der Konjunkturbericht der 16 Industrie- und Handelskammern in NRW, an dem sich mehr als 5.500 heimische Unternehmen in diesem Herbst beteiligten, macht die äußerst angespannte Situation der Wirtschaft deutlich. Zwar beschreiben noch rund 30 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage mit gut, jedoch halbiert sich der Lageindikator von vormals 19 auf 10 Punkte. Ein Fünftel der Unternehmen bewertet die  Gegenwärtige geschäftliche Situation bereits als schlecht. Kritisch betrachten insbesondere Industrie und Einzelhandel ihre Situation. 

Sorge bereitet den Unternehmen vor allem der Blick in die Zukunft. Der Erwartungsindikator fällt im Herbst 2022, um 24 Punkte auf einen  historischen Tiefststand von -42 Punkten. Selbst zu Zeiten der Bankenkrise im Jahre 2009 blickten die Unternehmen hoffnungsvoller in die  Zukunft (-35 Punkte). Die Unternehmen bereiten sich auf einen konjunkturellen Abschwung zum Jahresende 2022 und im Wirtschaftsjahr 2023 vor.

Diese Entwicklung verdeutlichen auch die Zahlen zur Beschäftigungsplanung der Unternehmen. Rund 85 Prozent der Unternehmen geben an, weniger oder gleich viele Arbeitnehmende beschäftigen zu wollen. Wohingegen nur rund 15 Prozent der befragten Unternehmen  in der jetzigen Situation, die von vielen Unsicherheiten und einer volatilen Lage gekennzeichnet ist, angeben, mehr Arbeitsplätze schaffen  zu wollen. Für viele Unternehmen bleibt der Fachkräftemangel nach wie vor eines der größten konjunkturellen Probleme: Immer mehr  Unternehmen halten an ihren Belegschaften fest. Für 55 Prozent der befragten Unternehmen stellt der Fachkräftemangel eines der größten Risiken für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung dar. Über alle Branchen hinweg geben 51 Prozent der antwortenden Unternehmen an, dass derzeit offene Stellen längerfristig nicht zu besetzen sind. Fehlende gut ausgebildete Fachkräfte sind so beispielsweise in der  Spitzentechnologie (58 Prozent) oder aber auch im Gastgewerbe (55 Prozent) der Grund für Vakanzen. 

Angesichts der schlechten Aussichten fahren viele Unternehmen anstehende Investitionen zurück. Der Investitionsindikator sinkt um ganze  16 Punkte auf -11 Punkte und befindet sich damit auf einem ähnlich geringen Niveau wie nach dem ersten Pandemiewinter im Frühjahr 2021.  Starke Zurückhaltung üben hier insbesondere produzierende Branchen, die von den hohen Preisen für Energie und Rohstoffe betroffen sind. Daneben aber auch das Baugewerbe, welches mit deutlich gestiegenen Materialkosten umgehen muss.

Die Folgen der Energiekrise – in Verbindung mit der Corona- und Flutkrise – haben das verfügbare Eigenkapital in vielen Branchen merklich  reduziert. In vielen Branchen reicht das zur Verfügung stehende Kapital gegenwärtig vielfach nicht zur Finanzierung eigentlich benötigter  Transformationsprojekte, und sehr oft auch kaum zur Deckung der dramatisch gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten. Bei den  Investitionen, die getätigt werden, steht stattdessen die Rationalisierung mit 32 Prozent als wichtiger werdendes Motiv im Vordergrund. Eines  der bisherigen Aushängeschilder bei den Investitionsmotiven der Unternehmen in NRW, die Innovation von Produkten, liegt mit 25 Prozent  deutlich (10 Prozent) unter dem Vorkrisenjahr 2019. 

Eine weitere Variable, die die Unternehmen in NRW in Unsicherheit wiegt, sind mögliche Konsequenzen einer Leitzinserhöhung durch die  Europäische Zentralbank, welche die Kosten für Investitionen weiter erhöhen würde und die Investitionstätigkeit vieler Unternehmen weiter  dämpfen könnte; insbesondere auch in Branchen, die von der gegenwärtigen krisalen Entwicklung weniger stark getroffen sind. Um den  Unternehmen den benötigten Handlungsspielraum zu verschaffen, sollten zeitnah Entlastungen auf steuerlicher Seite ergriffen werden, um den Erfolg der nordrhein-westfälischen  Transformationsagenda nicht zu gefährden.

Nebenbei hätte eine Anpassung der Leitzinsen auch mittel- bis langfristige Folgen für den Finanzhaushalt des Landes NRW.  Steigende Zinsen könnten zu unerwarteten  Mehrbelastungen führen. Der von der Landesregierung kürzlich vorgelegte Haushaltsplanentwurf 2023 und die Finanzplanung 2022 bis 2026 des Landes NRW sollten vor diesem Hintergrund mit der  notwendigen Umsicht behandelt werden. Die mit den Landesfinanzen verbundenen Unsicherheiten dürfen in der Konsequenz nicht  dazu führen, dass die Unternehmen in der gegenwärtig angespannten Lage durch weitere finanzielle Beanspruchungen – in Form von  Steuererhöhungen – auch nicht auf kommunaler Ebene belastet werden. 

Daher ist es ein wichtiger und richtiger Impuls der Politik, zeitnah und unbürokratisch für Entlastungen auf dem Energiemarkt zu sorgen, was insbesondere aber auch den Strommarkt einbeziehen sollte. Der von der Bundesregierung angekündigte „Doppelwumms“, ist dabei ein wichtiges Signal an die Unternehmen. Auch wenn dieses milliardenschwere Hilfspaket zunächst die Inflation weiter anheizen wird, sind die positiven Folgen für die (internationale) Wettbewerbsfähigkeit und die Stabilisierung des privaten Konsums nicht von der Hand zu weisen.  Wichtig werden hier nun eine schnelle und bürokratiearme Umsetzung sein.